Unsere "Schneeflocke" Lumihiutale

Die traurige Seite: Lumis Krankheit

Nach all diesen Geschichten kann sicher niemand -wir am allerwenigsten- verstehen, warum gerade dieser Lumi, unsere Schneeflocke, der bereits als Lawine bezeichnet wurde, einer derart heimtückischen Krankheit zum Opfer fallen musste. Ich möchte auch diese Geschichte hier erzählen, weil sie zum Lumi gehört und weil wir Spekulationen vorbeugen möchten.

Die ersten Anzeichen zeigten sich im Februar 2001, als er 9 Monate alt war. Lumi bekam eine Ohrenentzündung. Er war schon immer empfindlich an den Ohren gewesen, aber diverse Tierarztbesuche hatten nichts ergeben. So fanden wir uns damit ab, dass er dort eben empfindlich ist oder eben dort nicht angefasst werden möchte. Wir fuhren mit ihm zum Tierarzt, nicht besonders beunruhigt, schließlich hatte Fiala auch schon bereits zwei Ohrenentzündungen (nach dem Baden im Sommer) hinter sich gebracht. Lumi bekam Antibiotika, die Erreger wurden bestimmt - eben das Übliche. Nach 2 Wochen war die Sache Vergangenheit und Lumi war wieder der Alte.

Einige Wochen später, inzwischen war Ende März, kam die zweite Entzündung. Die zwischenzeitliche Kontrolle hatte ergeben, dass alles wieder in Ordnung war. Noch glaubten wir an einen dummen Zufall. Eine zweite Entzündung in relativ kurzer Zeit - das kann ja mal vorkommen. Nach dieser Antibiotikabehandlung war eine längere Zeit Ruhe. Bis zwei weitere Entzündungen Anfang Juni und Mitte Juli folgten. Nun glaubten wir nicht mehr an einen Zufall, sondern suchten nach einem Grund. Im August brachten wir Lumi auf Anraten unseres Tierarztes in die Klinik nach Hannover. In der Zwischenzeit waren diverse Untersuchungen auf spezielle Erreger durchgeführt worden, welche alle negativ ausfielen. Es schienen normale Entzündungen zu sein, Antibiotika halfen, aber sie kamen immer wieder.

In Hannover verbrachten wir einen gesamten Tag. Das Ergebnis war die Diagnose, dass der Hund eine Ohrenentzündung habe, die Gehörgänge aber in Ordnung seien und nichts weiter erkennbar ist. Auch Hannover riet zur Antibiotikagabe und entließ uns mit dem Hinweis, nach der erfolgten Spülung wäre zu 70% anzunehmen, dass der Hund nun beschwerdefrei und die Sache gegessen sei.

Es folgte unser Urlaub im September und Ende Oktober mussten wir feststellen, dass die Behandlung von Hannover dem Lumi zwar einen unbeschwerten Schwedenurlaub verschafft hatte, er aber jetzt wieder unter einer Ohrenentzündung litt. Es folgten diverse Telefonate mit Hannover, dort stellte man sich auf den Standpunkt, man müsse den Hund nun mal "ganz genau" untersuchen. Nach den ersten Erfahrungen dort weigerten wir uns. Unser Tierarzt meinte, das einzige, was nun noch helfen könne, sei ein CT, eine Computertomografie. Wir fuhren Ende Oktober mit Lumi nach Hamburg, hielten ihm bei der Narkose die Pfote und sahen zu, wie im Computer mehr und mehr Bilder von Lumis Kopf erschienen.

Als diese ausgewertet waren, erhielten wir -endlich- Klarheit über das, was sich in den letzten Monaten in Lumis Kopf abgespielt hatte. Und wir erhielten einen Ausblick auf das, was kommen würde. Die Assistenzärztin erklärte uns anhand der Aufnahmen die Sachlage, wollte wegen der Behandlungsmöglichkeiten aber noch keine Aussagen machen. Hierzu wurde ein Chirurg heran gezogen.

Irgendwie waren Bakterien in Lumis Mittelohr gelangt. Sie kamen nicht, wie sonst so häufig über das äußere Ohr, sondern sie müssen anders (z.B. durch den Rachenraum) in das Mittelohr gelangt sein. Dort fanden sie noch formbare Gehörgänge, weiches Knochenmaterial und eine warme, feuchte Umgebung vor. Sie nisteten sich ein und vermehrten sich. Das alles geschah, ohne dass Lumi massive Beschwerden hatte. Er war ein bisschen empfindlich am Ohr -mehr nicht. Im Februar, als die Entzündung das erste Mal durchbrach, war bereits alles zu spät. Jetzt, im Oktober, konnte man uns nur noch sagen, dass die Gehörgänge des Mittelohres voll sind mit einer bakteriendurchsetzten Masse, die sich in Höhlen eingenistet habe. Dadurch sei der PH-Wert innerhalb des Mittelohres verändert und diese Veränderung bewirke, dass sich der Knochen zum Gehirn langsam zersetze. Diese Zersetzung war bereits auf den Aufnahmen zu erkennen.

Wir waren wie betäubt, als wir die Klinik verließen. Noch glaubten wir, dass es Behandlungsmöglichkeiten gibt, eine OP oder irgendwas eben. Das ernstere Gespräch fand in unserer Abwesenheit zwischen dem Chirurgen in Hamburg und unserem Tierarzt statt. Wir hatten inzwischen einen weiteren Tierarzt um Rat gebeten, um eine zweite Meinung einzuholen. Als ich die CT Aufnahme bei unserem Tierarzt abholte, brach die Helferin bei meinem Anblick in Tränen aus. Lumi war immer ihr Liebling gewesen und sie hatte das Gespräch aus Hamburg mit gehört. Sie durfte mir nichts sagen, aber mir wurde in diesem Moment klar, dass Lumi nicht mehr zu retten war. Wie ich im Auto nach Hause gekommen bin, ist mir heute noch ein Rätsel. Noch nie im Leben, noch nicht einmal nach Lumis Tod habe ich geweint wie an diesem Tag.

Der zweite Tierarzt riet uns, bei dieser Problematik den Hund vollzustopfen mit Antibiotika. Lange, hochdosiert. Mit dem Ziel, wirklich alles zu vernichten, was dort ist. Abends waren wir bei unserem Tierarzt und besprachen alles. Er stimmte seinem Kollegen zu und meinte, wenn das klappen würde, hätte Lumi gewonnen. Es war aber zu merken, dass er uns die Hoffnung nicht nehmen wolle. Er nahm noch einmal das CT und zeigte uns sehr anschaulich, womit Lumi es zu tun hatte. Der Chirurg aus Hamburg hatte eine OP abgelehnt. Die Begründung leuchtete ein: zu verwinkelt, unmöglich, alles zu erwischen und eine verschwindend geringe Erfolgschance. Wir waren dankbar für die Ehrlichkeit, zumal unsere Tierärzte es genau so sahen. Es gab eigentlich keinen Zweifel, dass eine OP hier nichts mehr nützen würde.

Wir gaben Lumi also Antibiotika. Den gesamten November durch. Anfang Dezember brach eine weitere Ohrenentzündung auf. Wir wechselten das Antibiotika. Das neue Medikament, unser Joker, zeigte keinerlei Wirkung. Resistenz. Wir hatten verloren.

Die Schmerzen schienen sich bei allen Entzündungen im Rahmen zu halten. Wir kamen mit einer Aspiringabe pro Entzündung aus. Nur anfassen durfte man das Ohr nicht. Mit viel Geduld schafften wir es immer wieder, das Ohr mit Kamillenlösung einigermaßen zu säubern. Aber es war ja klar, dass das nur eine optische Geschichte war. Im Innenohr, im Mittelohr sah es ja genauso aus. Für jede Spülung des Ohrs musste der Hund in Narkose gelegt werden.

Die Vorweihnachtszeit kam. Und mit ihr eine kleine Hoffnung namens Umkaloaboo. Eine südafrikanische Pelargonie, ein Geheimtipp für diverse Infekte. Wir gaben es, setzten die Antibiotika ab und Lumi war einige Wochen beschwerdefrei. Gleichzeitig mit der Diagnose aus Hamburg hatten wir gemeinsam mit unserer "Familienhomöopathin" ein Rennen gegen die Zeit begonnen. Lumis Konstitutionsmittel kannten wir, das bekam er seit geraumer Zeit. Doch trotz intensiver Kontakte und Beobachtungen schafften wir es nicht. Wenn man es so will, bekam der Lumi durch diese Bemühungen 6 weitere Wochen. Wir konnten die Entzündung Anfang Dezember eindämmen, wir konnten Ende Dezember helfen, als eine weitere Entzündung aufbrach. Wir konnten aber nicht vermeiden, dass der Knochen zum Gehirn mehr und mehr durchfressen wurde.

Am 16. Januar bekam Lumi eine Schmerzattacke, die wir vorher in dieser Form noch nicht erlebt hatten. Er weinte, er schrie. Wir gaben Aspirin, die nur wenig halfen. Unsere Kinder und ihre Freunde saßen bei ihm und weinten. Unsere älteste Tochter Malin konnte ich kaum beruhigen. Lumi bekam eine Schmerzspritze, zu mehr konnten wir uns noch nicht entschließen, obwohl der Tierarzt bereits die Vermutung äußerte, wir hätten es mit einer beginnenden Hirnhautentzündung zu tun. Bisher waren die Schmerzen auch am nächsten Tag vorbei. Wir klammerten uns verzweifelt an die Hoffnung, obwohl wir alle ahnten, dass wir am Ende des gemeinsamen Weges angekommen waren. Am Donnerstag waren die Schmerzen anscheinend vergangen - oder die Spritze wirkte noch. Lumi hatte die Dosis für einen 75-kg-Hund bekommen. Er war bis Mittags benommen. Abends griff er Fiala an. Unvermittelt und in einer Weise, dass wir trennen mussten. Fiala versuchte auszuweichen. Früher hatte sie sich solchen Auseinandersetzungen immer gestellt. Jetzt wich sie aus. Ein weiteres Indiz für uns, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Als ich Lumi ansprach, bedrohte er mich. Er fixierte mich, stand langsam auf und ging auf mich zu. Um sich im nächsten Moment auf den Rücken zu werfen und sich kraulen zu lassen.

In der folgenden Nacht schliefen wir nicht. Lumi war das erste Mal aus dem Schlafzimmer ausgesperrt. Wir fühlten uns schäbig dabei. Unsere Kinder weinten. "Der Lumi ist doch so krank, warum soll er allein bleiben?"

Freitagmorgen griff er Fiala noch zweimal an und wiederholte das bei mir gezeigte Verhalten bei Peter. Er stand vor dem Wohnzimmertisch, unter dem Fiala immer liegt und bedrohte ihn. Obwohl Fiala gar nicht da war. Schweren Herzens rief ich den Tierarzt an. Er meldete sich mit "es geht nicht mehr, nicht wahr?". Morgen. Morgen früh würde er zu uns kommen. Dann sind die Kinder nicht da. Der Rest des Freitags war furchtbar. Ich machte mit Lumi eine letzte Runde mit dem Fahrrad. Zu Ronja. Die Hunde standen, nur durch den Zaun getrennt voreinander. Ich traute mich nicht, den Lumi hinein zu lassen. Sie schleckten sich ab. Als ich Lumi weg zog, setzte Ronja sich und heulte. Mir liefen die Tränen über das Gesicht. Ich hatte Lumi schon oft aus Zeitmangel weiter gezerrt. Geheult hatte Ronja noch nie. Jetzt heulte uns hinterher. Später stieg ich vom Fahrrad und ging mit Lumi auf eine Wiese. Es war den ganzen Tag bewölkt und regnerisch gewesen. Jetzt kamen einige Sonnenstrahlen durch die Wolken. Ich verabschiedete mich hier von ihm - in aller Ruhe. Und mit einem Gewissen, wie es schlechter nicht sein kann. Diese Stelle wird nun immer ein besonderer Ort für mich sein.

Freitagabend blieb Lumi in der Küche. Gespielte Fröhlichkeit gegenüber den Kindern, die nichts ahnten. Am nächsten Morgen brachte ich sie zu ihren Großeltern. Ich bat sie, sich vom Papa und vom Lumi zu verabschieden. Sie taten das in einer merkwürdigen Intensität. Sie würden ihn nicht lebend wieder sehen - ein unbewusster Abschied für immer. Ich versprach Lumi leise, mich zu beeilen. Als ich zurück war, warteten wir auf den Tierarzt. Lumi wimmerte hin und wieder. Er schüttelte laufend den Kopf. Er hatte, wie auch schon am Freitag, Schmerzen. Nicht so stark, dass er schrie, aber genügend, dass wir es merkten. Das Warten zog sich. Als der Tierarzt kam, gingen wir gemeinsam auf die Terrasse. Lumi benahm sich wie immer. Er war freundlich und fröhlich. Er sprang mich an, wie er es häufig getan hatte. Es war fast nicht zu ertragen. Dennoch: unser Tierarzt erkannte die Anzeichen und die Vernunft sagte uns, dass Lumi einige Tage schweren Leidens vor sich haben würde, die auf jeden Fall tödlich enden würden. Wir erinnerten uns an die letzten Tage, an die Aggressivitäten und an die Schmerzen, die er hatte. Lumi bekam die Narkose und schlief anschließend friedlich ein. Wir waren bei ihm und er war in seiner geliebten und vertrauten Umgebung. Mehr konnten wir nicht mehr für ihn tun.

Wir beerdigten ihn nachmittags im strömenden Regen in unserem Garten. An dieser Stelle hatte er immer gelegen, wenn er auf die Katze der Nachbarn wartete oder die Rehe am Waldrand beobachtet hatte. Sie gehörte zu seinen Lieblingsplätzen, der beste Beweis dafür ist die abgekaute Weinrebe, die nun an seinem Grab steht.

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