Schonzeit für Wildtiere - Hunde an die Leine!

Alljährlich sorgt der Beginn der Brut- und Setzzeit im März / April (bundeslandabhängig) für kontroverse Diskussionen. Wohl jeder Hundehalter hat Verständnis für die Notwendigkeit, Wildtieren die Möglichkeit zu geben, den Nachwuchs gefahrlos aufzuziehen. Jedoch dauert die Schonzeit über ein Vierteljahr und dieser lange Zeitraum bedeutet für die Hunde strikten Leinenzwang. Jeder Hundehalter befindet sich jetzt in einem Gewissenskonflikt: Wie soll er seinem Vierbeiner den notwendigen Auslauf, der zur artgerechten Haltung gehört, bieten?

Einige Gemeinden weisen Ausweichflächen aus. Ein Vorschlag, den die Hundehalter größtenteils dankbar annehmen, der aber nur ein Kompromiss bleiben kann. Denn auf diesen Flächen toben und spielen zahlreiche Hunde auf engem Raum - Konflikte sind vorprogrammiert, auch wenn sie meist zwischen den Haltern und nicht zwischen den Vierbeinern entstehen. Dennoch kann ein rauflustiger Hund auf einem solchen Gelände für erhebliche Probleme sorgen - in freier Natur bestehen ganz andere Möglichkeiten, dieser Situation auszuweichen.

Wir leben in einem Naturschutzgebiet, in einer fantastischen Landschaft. Ich wäre die Letzte, die nicht einsieht, dass die Natur bzw. die frei lebenden Tiere geschützt werden müssen. Eigentlich sollte es für Hundehalter sowieso eine Selbstverständlichkeit sein, ihre Hunde so zu erziehen, dass sie sich nicht aus dem Sichtbereich des Herrchens entfernen und frei lebende Tiere in Frieden lassen. Jede Jagd eines Hundes auf ein Wildtier setzt bei diesem Panikgefühle frei und verbraucht Energien, die diese z. B. zur Winterzeit dringend brauchen. Leider gibt es Hundehalter, die es furchtbar witzig finden, ihre Hunde hinter dem Wild her zu hetzten und sie dazu zu ermuntern.

Es ist sicher mit von der Rasse abhängig, wie erfolgreich die Erziehungsbemühungen sind, den Hund vom Jagen abzuhalten. Bei unseren Weißen Schäferhunden gab es recht wenig Probleme, sie vom Jagen abzuhalten. Bei unserer eher schreckhaften Hündin reichte ein wiederholter Einsatz der Wurfkette. Als unser Rüde Karhu in jungen Jahren übermütig einem Reh hinterhertobte (erfolglos), war Frauchen verschwunden - und er wusste nicht, wohin. Er hat sich nie wieder weit von uns entfernt. Dieses Glück hat man sicher nicht mit jedem Hund, Situation, Timing und Maßnahme müssen für den Charakter des Hundes passen. In unserer Gegend gibt es sehr viel Wild: Rehe, Hasen und auch Fasane, die sich gern in den Gräben neben der Straße aufhalten. Artgerechte Haltung bedeutet für einen Hund Freilauf, ohne die wild lebenden Tiere zu gefährden oder zu jagen. Ein schwieriges Unterfangen für jeden Hundehalter, der in ländlichen Gebieten eigentlich immer mit der Gefahr lebt, dass sein Hund doch einmal losspurtet.

Nichtsdestotrotz ist es doch so, dass wir uns an der Natur erfreuen und die Spaziergänge mit unseren Hunden genießen - wenn auch nicht bei jedem Wetter. Also sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, die Natur zu schützen und die frei lebenden Tiere in ihren Lebensräumen zu respektieren und so wenig wie möglich zu stören. Zu jeder Jahreszeit, nicht nur zur Brut- und Setzzeit.

Wir haben unsere Hunde so erzogen, dass sie sich grundsätzlich nicht weit von uns entfernen und auf den Wegen bleiben. Dafür haben wir eine gewisse Zeit gebraucht, aber ich kann mich eigentlich auf den Hund verlassen.

Wir haben ihnen auch anerzogen, sich nur zu lösen, wenn sie frei laufen. So haben wir eine gewisse Sicherheit vor "Malheuren", wenn wir an belebten Orten sind. Allerdings stellt gerade diese Erziehung (die teilweise auch in Hundeschulen empfohlen wird) uns jetzt vor ein Problem: Der Hund darf nicht frei laufen, jeder Spaziergang wird zur Qual, weil Hund mit seinen Geschäften auf das Ableinen wartet.

Gespräche mit den Jagdpächtern zeigen, dass dort ganz andere Standpunkte vorherrschen. Ebenfalls verständlich, da sie sich bisweilen mit uneinsichtigen Hundehaltern konfrontiert sehen. Natürlich kann kein Jäger einschätzen, wie gut ein Hund im Gehorsam steht. In manchen Fällen hilft ein (vorbeugendes) Gespräch in entspannter Atmosphäre. Verständnis füreinander kann helfen, Konfliktsituationen zu vermeiden. Pöbelei hilft keinesfalls, denn beide Seiten versuchen, die ihnen anvertrauten Vierbeiner zu gut wie möglich zu schützen. Nicht jeder Jäger ist ein fröhlich herumballernder Zeitgenosse, der es auf streunende Hunde und Katzen abgesehen hat - ebenso wie nicht jeder Hundehalter ein rücksichtsloser Mensch ist, der seinen Vierbeiner hinter Wild herhetzen lässt. Es gibt hüben und drüben schwarze Schafe und leider sind es diese wenigen, die immer wieder Konfliktsituationen heraufbeschwören. Ein guter Kontakt zum Jäger ist sicher Gold wert, aber nicht in allen Gebieten machbar.

Als Hundehalter möchte ich bei den eigenen Problemen bleiben. Wie kompensiert man den fehlenden Auslauf effektiv? Als wir noch in Bremen wohnten, haben wir uns u.a. keinen Hund angeschafft, weil wir ihm keinen Auslauf bieten konnten. Für mich (und ich hoffe, nicht nur für mich) bedeutet artgerechte Haltung, dass ich meinem Hund genügend Auslauf sowie - freie - Kontakte zu Artgenossen biete. Der Hund muss sich auch außerhalb des Grundstückes austoben können, spielen, tollen, sich auslaufen. Eine große Rasse verlangt stundenlangen Auslauf. Jeden Tag.

Uns bleibt momentan nichts anderes übrig, als mit langer Leine Fahrradtouren zu machen, um unserem Hund den notwendigen Auslauf zu bieten. Ob das kilometerlange, gleichmäßige Traben ausgleichend, wage ich zu bezweifeln. Es gibt während der Brut - und Setzzeit nur ein entweder - oder: Entweder gleichmäßig am Fahrrad laufen oder "Schnüffeltouren" zu Fuß. Das übliche Tollen auf den Wiesen mit Artgenossen entfällt komplett. Statt dessen darf der Spielgefährte an der Leine kurz beschnüffelt werden, wobei jeder Hundehalter ein Lied davon singen kann, welche Auswirkungen die Leine manchmal auf das Verhalten des Hundes hat. Und zwar nicht nur für einige Tage, sondern für mehr als ein Vierteljahr.

Hundeschulen bieten bisweilen Spielstunden für die Hunde. Das bedeutet längere Anfahrtswege und ein- oder zweimal wöchentlich eine einstündige Spielerunde. Hier gilt das Gleiche wie bei den ausgewiesenen Auslaufflächen: Eingeengter Raum sorgt für reichlich Konfliktpotenzial, das hoffentlich von geschulten Trainern erkannt wird.

Ich bin aber der Meinung, dass man das Problem der Brut - und Setzzeit nicht einfach mit einem Verbot des Freilaufens aller Hunde lösen kann. Denn man schützt einerseits die frei lebenden Tiere, andererseits schafft man ein großes Problem für die Hundehalter. Machen wir uns nichts vor, die meisten Hundehalter sehen zwar die Notwendigkeit dieser Regelung, aber ihnen ist die Freiheit ihres eigenen Hundes, einem Familienmitglied - mindestens genauso lieb. Also wird eine Geldstrafe und schlimmstenfalls das Abschießen des Hundes (und manche Jäger sind da anscheinend leider nicht zimperlich) riskiert und der Hund läuft weiterhin frei. Zum Schaden der Natur, eventuell des Besitzers UND des Hundes (falls das Pärchen erwischt wird). Man sollte also seitens der Behörden und der Jägerschaft die gleiche Tierliebe an den Tag legen, an die bei uns Hundehaltern appelliert wird und uns Alternativen anbieten. Zum Beispiel Landschaften, die meinethalben eingezäunt werden und in denen die Hunde ganz legal ihren Bewegungsdrang ausleben können. Wenn die Gemeinden diese (trotz Hundesteuereinnahmen) nicht schaffen können oder wollen, besteht vielleicht die Möglichkeit, privat Engagement zu zeigen und brachliegende Flächen zur Verfügung zu stellen. Die Diskussionen, die sich alljährlich ergeben, zeigen deutlich, wie dringend eine Lösung gefunden werden muss, um Wildtieren UND Haustieren gleichermaßen gerecht zu werden.

copyright: Gaby von Döllen, Februar 2014

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