"Zum Wohle der Rasse"?
-Ein Fazit nach 7 Jahren Vorstandsarbeit im Rassehundezuchtverein- von Gaby von Döllen

Seit 1994 sind wir, mein Mann Peter und ich, Mitglied im BVWS. Damals kam unsere erste Weiße Schäferhündin "Fiala von der Hohensyburg" in unsere Familie und die Züchterin überzeugte uns von der Mitgliedschaft in ihrem (damaligen) Zuchtverein. Viele Dinge waren "böhmische Dörfer" für uns, wir suchten nach Gleichgesinnten, nach Hilfe, wenn es mal Probleme gab und hofften auf Hundetreffen, bei denen Fiala sich mit anderen Weißen austoben konnte. Darüber hinaus wollten wir mit unserem Vereinsbeitrag die kontrollierte Zucht der Weißen Schäferhunde unterstützen.

Schnell stellte sich heraus, dass die Weißen Schäferhunde "mehr" für uns bedeuteten. Die Eigenschaften nicht nur von Fiala, sondern auch von den Hunden, die auf den Treffen waren, faszinierten. Auf der Straße traf man jedoch häufig Weiße Schäferhunde, die nicht diesem Ideal entsprachen. Sie reagierten häufig ängstlich, manchmal sogar panisch. Der BVWS verlangte bereits damals von seinen Hunden eine Zuchtzulassungsprüfung. Die wurde übrigens in all den Jahren lediglich ein wenig angepaßt, Sinn und Zweck ist jedoch (noch) der gleiche. Nach und nach erhielten wir über den Verein Einblick in die Hundezucht, damals war das Thema "Züchten" in meinem Kopf durchaus eine Möglichkeit. Zwei Gründe hielten uns seinerzeit davon ab, das Abenteuer zu wagen: Zum einen unsere Hündin selbst, die vermutlich nur mit viel Üben diese Prüfung geschafft hätte. Sie war ein perfekter Familienhund, mit Stresssituationen aber (Menschenmengen, plötzliche laute Geräusche wie z.B. Silvester) überfordert. Zum anderen waren unsere Töchter noch sehr klein und die Aufgabe Wurfbetreuung und Kinder erschien uns nicht zu vereinbaren.

1996, zwei Jahre später, veröffentlichten wir mit viel Hilfe des damaligen Vorsitzenden Friedel Wiesenmayer, Fialas Züchterin Beate Behlen und einigen anderen "Etablierten", unser erstes Buch über Weiße Schäferhunde. Im Zuge der Recherche mussten wir mit den Rassehundevereinen zusammen arbeiten. Einige verweigerten die Zusammenarbeit allein auf Grund unserer Vereinsmitgliedschaft. Die Vereine waren weitaus verfeindeter als heutzutage, dem BVWS eilte ein höchst arroganter Ruf voraus, da man sich einer Zusammenarbeit größtenteils verschloss. Die Gründe hierfür lagen im Zuchtziel: höchste Voraussetzungen für eine optimale Zucht. Ein Ziel, mit dem wir uns identifizieren konnten.

Hierbei zeigte sich eine Problematik, die viele Außenstehende nicht nachvollziehen konnten/können: Die Antwort auf die Frage, warum sich nicht alle Zuchtvereine "vertragen" und zu einem zusammenschließen. Die Ausrichtungen sind einfach zu unterschiedlich. In dem Moment, wo die eigenen Züchter höchste Maßstäbe an die eigene Zucht stellen, sowohl gesundheitlich als auch charakterlich (Stichwort Wesensüberprüfung), gibt es keinen Konsens mit denjenigen, die dies zwar generell (offziell) ebenso befürworten, tatsächlich aber alles tun, nur um mit den eigenen Hunden züchten zu können. Ein Zuchtverein, dessen Mitglieder voll hinter einer strengen Zuchtzulassungsprüfung stehen und diese vertreten, dazu diverse gesundheitliche Untersuchungen verlangen, werden weder verstehen noch akzeptieren können, wenn andere sich auf den Standpunkt stellen, genug Erfahrung zu haben, um den Zuchtwert ihrer Hunde selbst am besten beurteilen zu können. (Ein neutrales Urteil sollte immer mehr wiegen als das rosarot gefärbte eines Besitzers)

1997 trennte sich der BVWS von seinem damaligen Verband, dem EDV. Da das Internet noch in den Kindesbeinen steckte, blieben viele Dinge hinter verschlossenen Türen. Schnee von gestern. Die Erinnerung bleibt jedoch an Versammlungen, in denen die Vereinsmitglieder zielstrebig ein gemeinsames Ziel verfolgten. Der (damalige) Vorstand handelte und für die Mitglieder war es selbstverständlich, alle Vorgehensweisen zu unterstützen. Mit Ausnahme eines Jahres war ich an allen Jahreshauptversammlungen anwesend - diese Versammlungen sind mir sehr nachhaltig in Erinnerung geblieben, weil sie eine Einigkeit zeigten, die es heute nicht mehr gibt. Natürlich gab es auch Differenzen, diese blieben größtenteils innerhalb des Vereins: Das "Wir" gewann: Der BVWS ging aus dieser Krise als starker Verein hervor.

Es folgte eine schwierige und turbulente Zeit, die Vereinslandschaft veränderte sich sehr schnell. Querelen innerhalb der Vereine führten zu Neugründungen, Fusionen und Auflösungen. Erst die Anerkennung der Rasse durch die FCI brachte ein wenig Ruhe: Es kristallisierten sich zwei Anwärter heraus (der BVWS und der RWS), die beide aufgenommen wurden. Die Aufnahmephase bedeutete Angriffe von außen und zahlreiche Versuche, die Mitgliedschaft im VDH zu verhindern. Gleichzeitig endete die Zeit, in der einem Vorstand blindes Vertrauen entgegen gebracht wurde. Erstmalig kamen Angriffe aus den eigenen Reihen, teilweise ohne Rücksicht auf das gemeinsame Ziel, die VDH Aufnahme. Jede Entscheidung innerhalb des Vorstands wurde in Frage gestellt, aber leider nicht in offenen Gesprächen, sondern ohne Einbeziehung der Entscheidungsträger. Die große "Abrechnung" erfolgte jeweils auf der Jahreshauptversammlung, deren Anträge (öffentlich und nachzulesen in der Vereinszeitung) in vielen Fällen durch eine einfach Email im Vorfeld viel zeit- und nervensparender hätten geklärt werden können.

Ich habe im Jahr 2004 ein Vorstandsamt zunächst kommissarisch übernommen. Bis dahin war ich der Meinung, dass ein Familienmitglied im Vorstand ausreichend ist. 2005 wurde ich im Amt bestätigt und stellte mich auch 2008 nochmals zur Wahl, um die endgültige VDH Aufnahme mit einem alten, eingespielten Vorstand zu garantieren. In diesem Jahr war eine Entscheidung zu treffen. Gemeinsam mit allen Vorstandsmitgliedern traten wir auf der Hauptversammlung zurück - und damit komme ich zu den Gründen für meinen Rücktritt aus dem Vorstand. Ich möchte dabei betonen, dass es sich ausschließlich um meine persönliche Einstellung und Meinung handelt.

Zucht: Der Kampf gegen Windmühlen

Als Hundekäufer hat man Ideale: Man geht davon aus, jeder Züchter möchte das Bestmögliche für die Rasse und das Wohl der Hunde sowohl der eigenen als auch der Rasse auf lange Sicht steht an allererster Stelle. Finanzielle Aspekte und persönliche Interessen sind dieser Zielsetzung klar untergeordnet.

Diese Ideale hatten wir auch als Vorstandsmitglieder und haben versucht, in diese Richtung zu arbeiten. Das tatsächliche Bild ist leider ein anderes. An dieser Stelle möchten wir jedoch betonen, dass zur Zeit (2011) die Anforderungen an Zuchthunde im BVWS sehr hoch sind. Alle sich bietenden Möglichkeiten werden jedoch nicht genutzt. Natürlich ist in einem Verein immer nur ein Teil der persönlichen Vorstellungen realisierbar. Irgendwann weichen aber persönliche Einstellung so weit von der Realität ab - dann wird es als Vorstandsmitglied immer schwerer, dies überzeugend und aktiv zu vertreten.

Hierzu nur zwei Beispiele: Beispiel Audiometrie:

Vor einigen Jahren fielen bei Untersuchungen einseitig taube Welpen auf. In Deutschland war der BVWS der einzige Verein, der konsequent handelte: Die Audiometrie für Zuchthunde wurde eingeführt. Nach ca. 2 Jahren waren alle Befunde unauffällig (die Anzahl belief sich jedoch "nur" auf ca. 30 Hunde), die Audiometriepflicht wurde wieder abgeschafft. Vereinzelt treten weiter Fälle auf. Wäre es nicht Pflicht und Aufgabe der Zucht, die Entwicklung im Auge zu behalten und zu kontrollieren?

Beispiel Abstammungskontrolle:

Für einen Wurf werden Ahnentafeln ausgestellt. Der Züchter bescheinigt mit seiner Unterschrift die Richtigkeit der Verpaarung. Darauf verlassen sich Verein und Käufer (die eventuell später selber mit dem Hund züchten). Im Grunde bauen die gesamten Zuchtbuchinformationen auf der Richtigkeit dieser Angaben auf. Sind sie, aus welchen Grunde auch immer, falsch, sind gleichzeitig alle Rückschlüsse falsch. Inzwischen gibt es eine ganz einfache Möglichkeit der Überprüfung: die Abstammungskontrolle. Eine Blutprobe oder ein Abstrich (Mundschleimhaut) der Welpen wird mit der hinterlegten D N A der Elterntiere verglichen. Wir haben uns immer wieder stark gemacht, diese sichere Grundlage für die Zuchtbuchaufzeichnungen zu schaffen. Warum dagegen votiert wurde? Um diese Frage zu beantworten würde man sich in Spekulationen verlieren. Es besteht die Möglichkeit, diese Kontrolle auf freiwilliger Basis durchzuführen. Sie wird nur in den wenigsten Fällen genutzt.

Diese Beispiele liessen sich fortsetzen, denn in vielen gesundheitlichen Bereichen wäre es notwendig, teils mit Hilfe der Wissenschaft in die Tiefe zu gehen und zumindest Screenings (Reihenuntersuchung einer bestimmten Anzahl Hunde unterschiedlicher Zuchtlinien) durchzuführen. Auch die Welpenkäufer müssen ins Boot geholt werden, um Informationen über die Nachzucht (und eventueller Erkrankungen) zu erhalten. Aber genau diese Ambitionen werden boykottiert, Namen und Adressen der Welpenkäufer bleiben unbekannt. In den seltensten Fällen erreichen Informationen das Zuchtbuchamt, die über die reinen Wurfdaten und bei Wurfkontrolle bzw. Wurfabnahme festgestellte Dinge (z.B.Nabelbrüche) hinaus gehen. Dabei wären gerade diese Fakten dringend notwendig, um Problematiken rechtzeitig erkennen und bekämpfen zu können.

Dies scheitert an simplen Dingen. Jeder Züchter sollte z.B. Interesse an einer HD-Auswertung der Nachzucht haben. Gerade der HD (und auch der MDR-) Status sind auch für den neuen Besitzer wichtig. Dennoch erreichen nur DIE Daten das Zuchtbuch, die vorgeschrieben und damit zwingend notwendig sind. Ein Interesse daran, an einer Stelle möglichst umfangreiche Daten zu sammeln, scheint nicht zu bestehen.

Und selbst die Weitergabe der wenigen gesammelten Daten wird vereinzelt mit dem Hinweis auf den Datenschutz blockiert. Leider gibt dieses "Meideverhalten" Spekulationen und Gerüchten einen sehr großen Raum.

Man kann auf diese Weise arbeiten. Man lernt auch als Vorstand, mit diesen Tatsachen zu leben, aber zufriedenstellend ist das nicht. Denn als Vorstandsmitglied muss man die Zucht nach außen vertreten. Irgendwann ist ein Punkt erreicht, an dem das mit der eigenen Einstellung nicht mehr zu vereinbaren ist.

Die zwei Gesichter der Zucht

Leider war und ist es so, dass das, was öffentlich nach außen vertreten wird, häufig im krassen Gegensatz zum Handeln steht. Championzucht und Wurfwiederholungen sind weiterhin an der Tagesordnung. Auch hier liegt der Focus stark allein auf dem nächsten Wurf und nicht auf der Zucht insgesamt.

Im Grunde weiß jeder Züchter, dass a) ein mehrfacher Ausstellungssieger nicht zwangsläufig auch standardkonforme, schneeweiße Nachkommen hervorbringt. Ebenso ist bekannt, dass das Aussehen zwar ein Zuchtziel ist, aber der Gesundheit und dem Wesen immer untergeordnet sein muss.

Gesundheit bedeutet aber nicht nur, dass die Elterntiere der Welpen fit und gesund sein müssen, sondern Rassegesundheit bedeutet auch, dass (eigentlich) mit jedem Wurf versucht werden muss, die Varietät innerhalb der Rasse zu erhalten oder zu vergrößern. Eine Wurfwiederholung verbietet sich damit von selbst, denn es wird eine Chance vertan, die Zuchtbreite zu erhöhen. Der zu häufig wiederholte Einsatz eines bestimmten Rüden führt zu einem ähnlichen Effekt, selbst wenn man vom optimalen Fall ausgeht, nämlich, dass alle Nachkommen vollkommen gesund sind. Denn von den Nachkommen gehen, da zahlreich vorhanden, überproportional viele Tiere in die Zucht. Der Effekt ist klar: Eine Blutlinie ist extrem stark in der Zucht vertreten. Bleibt zu hoffen, dass bei dieser Situation alle Tiere kerngesund sind und das auch weitervererben.

Dennoch: Ziel der Züchter ist immer der optimale Wurf und dazu benötigt man den bestmöglichen Rüden und das ist der attraktive Allrounder. Oberflächlich betrachtet ist das eine verständliche Vorgehensweise. Denn auch die Welpenkäufer möchten für ihr Geld einen vielversprechenden Welpen und sind mit Ausstellungstiteln und Sportergebnissen sicher leichter zu überzeugen als mit einer oberflächlich betrachtet mittelmäßigen Verpaarung.

All das ist sind kurzfristige Betrachtungsweisen, denn sie schränken die Zuchtbasis stark ein. Gleichzeitig argumentieren oft genau die gleichen Personen, der Genpool müsse erweitert werden, es gäbe keine fremden Linien mehr. Warum wohl nicht? Weil vor einigen Generationen genau so gehandelt wurde, wie es jetzt auch noch üblich ist. Eine Änderung kann nur herbeigeführt werden, wenn nicht nur wenige, sondern der überwiegende Teil der Züchter dazu übergeht, umzudenken.

Ich habe damals, vor 7 Jahren, ein Vorstandsamt angenommen, weil die Hoffnung bestand,argumentativ etwas bewirken zu können. Ich habe gehofft, durch meine Vorstandsarbeit in Zusammenarbeit mit einem ähnlich denkenden Team genau dieses Umdenken - zumindest im Kleinen - einleiten zu können. Ich habe gehofft, Überzeugungsarbeit leisten zu können, dass auch die Wissenschaft ins Boot geholt wird.

Es war immer klar, dass dies keine leichte Aufgabe wird, aber ich hoffte, sie wäre zu lösen. Dafür habe ich mich in den letzten Jahren eingesetzt - einige Projekte wurden auch unterstützt: die Bewegungsstudie, das HD-Projekt in Hannover, Rassevorstellungen an der Uni Hannover. Durchgesetzt wurde der MDR1 Test, die D N A Datenbank gemeinsam mit der Schweiz an der Uni Zürich.

Das alles hat auch Spaß gemacht. Die Arbeit im Vorstand, so zeitaufwändig sie auch war, sowieso. Diskussionen, so lange sie trotz aller Emotionen sachlich geführt wurden, waren sinnvoll, haben andere Sichtweisen und Probleme aufgezeigt und mit vielen Menschen fand man einen Konsens.

Zusammengefaßt für den Zuchtbereich lässt sich Folgendes sagen: Es wurde in den letzten Jahren vieles bewegt. Rasseanerkennung und VDH-Mitgliedschaft waren ein riesengroßer Schritt, der bewältigt werden musste und wurde. Auch mit diesem Ist-Zustand hätte man weiter arbeiten können. Die Verbesserung der Zuchtvorschriften ist hier immer noch ein Ziel vieler Änderungswünsche. Viele werden auch angenommen. Im Grunde ist der BVWS auf einem guten Weg, den ich auch verantwortlich mit hätte weitergehen können. Wären diese Tatsachen die einzigen gwesen, hätte ich mich auf der letzten Jahreshauptversammlung wieder zur Wahl gestellt und Anträge eingereicht, der Verein möge jetzt das eine oder andere Projekt unterstützen. Aber leider es gibt andere Dinge, die nachdenklich stimmen:

Familien- und Begleithund oder Begleit- und Familienhund?

Ich habe nur die Wörter umgestellt - keine weitere Bewandtnis? Vielleicht. Die Zukunft wird es zeigen. Die folgenden Zeilen beinhalten eine Befürchtung, die sich hoffentlich nie bewahrheiten wird.

Mehr und mehr Besitzer stellen stolz Schutzdienstfotos in das Internet. Dabei werden eher selten Unterordnung oder Fährtenfotos präsentiert. Das häufigste Motiv ist ein am Ärmel hängender weißer Schäferhund. "Natürlich, das sind ja auch Schäferhunde", erklärte mir kürzlich jemand mit unverhohlenem Stolz und betonte den "natürlichen Schutz- und Wehrtrieb der Rasse, die sich wesensmäßig gottseidank gewandelt habe". Eine echte Alternative zum Deutschen Schäferhund.

Ich habe die Diskussion nicht fortgeführt. Es hätte zu nichts geführt. Die Tendenzen sind deutlich - in der gesamten (FCI)Zucht. Schaut man über die Grenzen, ist der Schutzdienst (oder wie auch immer man das Ganze titulieren mag) "DER" Sport für die Weißen geworden. Nach außen wird die Rasse als "Allroundhund" ausgegeben, die Entwicklung zeigt in eine andere Richtung.

Ein aggressives Verhalten in einer "adäquaten" Situation ist angeblich zulässig. Eine Mutterhündin darf Besucher anbellen, um sie von den Welpen fernzuhalten? Der "Familienhund" rückt unauffällig immer weiter aus dem Rampenlicht. "Wir möchten doch keinen Goldie!" Auch eine Aussage, die mich nachdenklich werden lässt.

Mit der Anerkennung der Rasse war der Weg noch nicht deutlich festgelegt. Familienhund - ohne Arbeitsprüfung. Das schien eine Richtung zu sein, die sich deutlich von den übrigen Schäferhundtypen abgrenzt. Sie erschien für die heutige Gesellschaft (hundefeindlich und skeptisch) die einzig richtige. Die Mehrheit der Züchter und Deckrüdenbesitzer waren -und sind- da offensichtlich anderer Meinung. Während ich das Gefühl hatte, diese Tendenz sei in Deutschland noch moderat bzw habe den BVWS nicht erreicht, so wurde ich in den letzten beiden Jahren eines Besseren belehrt.

Als Vorstandsmitglied kann man bis zu einem gewissen Grade einen Weg mitbestimmen. Werden Entwicklungen von anderen anders bewertet und Warnungen als Schwarzmalerei abgetan, bleibt nur die Erkenntnis: Die Weißen Schäferhunde werden ihren Platz finden. Es wird vermutlich nicht der Platz sein, den ich mir für diese schöne Rasse gewünscht hätte.

Unser Traum ist zwar ein aktiver Weißer Schäferhund, der (auch) im Schutzdienst geführt werden kann, der aber seine Sensibilität und seine absolute Menschenfreundlichkeit behält. Ein Hund, der seine Familie begleitet, ohne dass sie diese hohen sportlichen Ansprüche an ihn stellt. Wird der jetzt eingeschlagene Weg konsequent weiter gegangen, wird sich der Weiße Schäferhund in seinem Charakter wandeln, teilweise ist das bereits zu erkennen. Ist dies von der Mehrheit gewünscht, muss ich das akzeptieren. Als Vorstandsmitglied unterstützen und nach außen vertreten kann und will ich es aber nicht.

Zeitfaktor und Anspruchsdenken

Eines habe ich in den Jahren gelernt: Wer ein Vorstandsamt übernimmt, muss zu einem unbezahlten 24-Stunden-Bereitschaftsdienst mit Sonntags- und Feiertagsschicht bereit sein. Schließlich bezahlen die Mitglieder Beiträge, die Züchter zahlen für Zuchtbuchleistungen und haben ein Recht auf unverzügliche Bearbeitung ihres Anliegens. Ob man selber gerade nach einer OP im Krankenhaus liegt, ob die Kinder gerade die volle Aufmerksamkeit benötigen oder berufliche Probleme gelöst werden müssen, all das interessiert nur am Rande.

Dies ist kein Problem des BVWS, das ist ein generelles Problem, unter dem alle Vereine bzw Ehrenämter leiden. Das Anspruchsdenken und der Wille, einen Wunsch auf der Stelle erfüllt zu bekommen, ist enorm hoch. Dagegen sinkt das Verständnis für die Situation des Gegenübers. Ohne Menschen, die bereit sind, ein Amt zu übernehmen und Freizeit zu investieren, würde das soziale Leben zum Erliegen kommen. Ein freundliches Danke, eine nette Geste reichen da schon aus. Aber statt "könntest Du bitte..." liest man immer häufiger "ich erwarte..." Was in der Hundeerziehung gang und gäbe ist, funktioniert im menschlichen Miteinander nicht (mehr). Niemand erwartet laufende Dankesbekundungen oder Kniefälle - aber ein kleines Danke oder eine freundliche Geste motivieren enorm, Gottseidank gibt es das auch heute noch. Ich erlebe es wöchentlich mit Karhu im Altenheim.

Fairness und Teamwork

Wer mit dem Zuchtwesen zu tun hat, sei es als Züchter, als angehender Züchter, Deckrüdenbesitzer oder einfacher Besitzer, der "nur" Informationen über Vorfahren seines Hundes haben möchte, begibt sich in ein Labyrinth. Informationen gibt es reichlich, viele mit dem Nachsatz "von mir weißt du das aber nicht". Kaum jemand ist in der Lage, dieses Wirrwarr von Informationen und Daten auf Richtigkeit zu filtern. Die Zuchtbuchämter, die über verläßliche Fakten verfügen sollten, sind oft keine Hilfe. Dort kommen die Daten oft gar nicht erst ein.

Von einem Zuchtverein bzw dessen Verantwortlichen wird dann Handeln erwartet, ohne dass belegbare Fakten vorhanden sind. Kein Vereinsvorstand kann es sich leisten, auf Grund von (womöglich anonymen) Hinweisen zu agieren. Kein Züchter oder Deckrüdenbesitzer möchte an den Pranger gestellt werden - mitmischen beim Roulette der Spekulationen tun (fast) alle aber gern.

Für einen Vereinsvorstand muss es eine klare Linie geben: Die Entscheidungen müssen grundsätzlich nachvollziehbar, fair und rechtlich haltbar sein. Jede Hundeerziehung lehrt uns, eine Anweisung erst dann auszusprechen, wenn sie auch durchzusetzen ist. Alles andere hat Unglaubwürdigkeit zur Folge.

Der am 26.3. zurückgetretene Vorstand hat sich bemüht, eine klare Linie einzuhalten, die ich nach außen, innen und vor mir selber vertreten konnte. Hinzu kam, dass im Vorstand jeder seinen Fähigkeiten entsprechend eingesetzt war. Technisches Knowhow, buchhalterische Kenntnisse, Wissen im Zuchtbereich der "alten" und der "neuen" Linien und im Ausstellungswesen. Viele Fachgebiete sind bei der Vorstandsarbeit gefordert, sie wurden in optimaler Weise abgedeckt und jeder arbeitete in seinem Arbeitsgebiet vollkommen autak. Alle hatten Spaß an ihrer Arbeit und auch ich hätte gern in diesem Team weiter gemacht. Das Team war eine Einheit, nicht immer herrschte Einigkeit, aber die grundsätzliche Linie paßte.

Auf der Jahreshauptversammlung am 26. März hat der gesamte Vorstand seine Ämter nieder gelegt und sich nicht wieder zur Wahl gestellt. Auch das zeigt deutlich, welcher Konsens herrscht. Wenn ein kompletter Vorstand einheitlich eine solch weitreichende Entscheidung trifft, kann etwas nicht stimmen. Die Gründe für den Beschluß wurden den Anwesenden der Jahreshauptversammlung ausführlich erläutert.

Ein Vorstand, der von einigen eigenen Mitgliedern in Kleinkriege verwickelt wird, kann nicht mehr in Ruhe die Arbeit machen, für die er gewählt wurde. Eingangs habe ich von blindem Vertrauen gesprochen. Inzwischen sind wir an einem Punkt angekommen, an dem alles in Frage gestellt wird. Keine Aussage wurde unkommentiert gelassen, Sachlichkeit und Höflichkeit blieben dabei auf der Strecke. "Wo steht das?" war einer der häufigsten Sätze. Alles sollte reglementiert sein, dass einige Dinge ethisch einfach nicht vertretbar sind, interessierte nicht. Was nicht in Satzung oder Zuchtordnung steht, ist folglich erlaubt. Der Tonfall, der in einigen Mails gegenüber dem Vorstand, aber auch Züchterkollegen gegenüber angeschlagen wurde, ist für mich nicht mehr zu tolerieren. Eines der deutlichsten Zeichen sind die Angriffe, die als Anträge seit Jahren auf jeder Hauptversammlung eingebracht werden. Vereinsarbeit ist ehrenamtliche Arbeit und soll Spaß machen. Am Ende blieb nur noch Frust - verursacht von einer hartnäckigen Minderheit.

Auch wenn ich "nur" als Kassenführer agiert habe, ist mir bewußt, dass viele Mitglieder enttäuscht sind. Es fehlt momentan einfach die Kraft, diesen zermürbenden Kampf weiterzukämpfen. Es würde auch dem Verein selber nichts nützen, da sich die Situation durch eine neue Kandidatur nicht geändert hätte.

Ein neuer Vorstand hat inzwischen unsere Aufgaben übernommen. Ich weiß, dass dieses Team mit viel Engagement loslegen wird und hoffe, dass dieser Vorstand die weitere Rasseentwicklung in der richtigen Richung beeinflussen und mit viel Weitsicht lenken wird. Jetzt muss bewiesen werden, dass man den BVWS besser führen kann.

Ein persönlicher Ausblick

Dies ist natürlich meine private Sichtweise und da Peter und ich gern "in einen Hut geworfen werden", möchte ich klar betonen, dass dies MEINE Sichtweise ist. Ich habe nie viel von irgendwelchen Statements auf Homepages gehalten, in diesem Falle sehe ich meinen Schritt als so schwerwiegend an, dass er einer Erklärung bedarf.

Wer glaubt, die Entscheidung sei mir leicht gefallen, der irrt sich gewaltig. Es war eine lange Entscheidungsphase verbunden mit einer Achterbahnfahrt der Gefühle. Der Verbundenheit zum Verein, zu den Hunden standen die oben geschilderten Punkte gegenüber. Die Bereitschaft, etwas für die Rasse zu tun, ist weiterhin da ... aber die übrigen Komponenten müssen stimmen und das hohe zeitliche Engagement muss eine Perspektive haben.

Auch werde ich weiterhin dafür eintreten, dass die Weißen Schäferhunde eine so liebenswerte Rasse bleiben wie sie jetzt sind. Ich werde mir weiterhin für jeden Interessenten Zeit nehmen, der Fragen oder Sorgen hat. Sicher werde ich auch das eine oder andere Mal noch im Ring sitzen und die Weißen Schäferhunde werden auch in Zukunft zu unserer Familie gehören. Wir haben die Rasse ins Herz geschlossen und irgendwann wird sicher wieder ein kleiner Weißer bei uns einziehen.

Als ich das Vorstandsamt übernahm, sagte jemand: "Ihr werdet viele Freunde verlieren". Das hat sich bewahrheitet. Aber ich habe auch viele hinzugewonnen und von denen weiß ich mit Sicherheit, dass es echte Freunde sind.

Ende unserer Vereinsmitgliedschaft

Zum 31.12.2011 sind wir aus dem BVWS ausgetreten. Dies war mehr oder weniger eine logische Folge der Aufgabe der Vorstandsarbeit. Hätte ich eine Chance gesehen, in Ruhe für die Rasseentwicklung weiter arbeiten zu können, hätte ich das getan. Mit meinem Austritt gebe ich dem jetzigen Vorstand die Gelegenheit, im "ruhigen Fahrwasser" engagiert Fortschritte für die Rasse zu erarbeiten. Für mich besteht keine Notwendigkeit, einem anderen Verein beizutreten. Unser Rüde ist fast zehn Jahre alt, hat damit das Zuchtendalter erreicht. Natürlich ist die Unterstützung der Weißen Schäferhunde und deren Zucht weiterhin wichtig - jedoch nur, wenn man sich mit Ausrichtung und Vereinsarbeit identifizieren kann.

Fotos: Peter von Döllen. Sämtliche Fotos und der Text unterliegen dem Copyright. Kopie und Verwendung (auch auszugsweise) nur mit unserer schriftlichen Erlaubnis. Januar 2012